Ausbreitung von Infektionskrankheiten: Fachverbände befürchten Fehlversorgung

Künftige Ausbrüche von Infektionskrankheiten könnten das deutsche Gesundheitswesen nachhaltig überfordern. Davor warnen die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie (DGI) sowie die Deutsche Arbeitsgemeinschaft ambulant tätiger Ärztinnen und Ärzte für Infektionskrankheiten und HIV-Medizin (dagnä) in einem gemeinsamen Positionspapier. Die Fachverbände fordern darin eine strukturelle Stärkung der ambulanten Versorgung, um die stationäre Infektiologie zu entlasten und beide Bereiche besser zu vernetzen. Nach jahrzehntelanger Kooperation auf verschiedensten Ebenen ist es das erste Mal, dass die ambulant ausgerichtete dagnä und die eher klinisch orientierte DGI ihre Standpunkte offiziell zusammen darlegen.

„Spätestens seit der COVID-19 Pandemie ist der Öffentlichkeit bewusst, wie schnell Infektionskrankheiten zu einer Gefahr für die Gesellschaft werden können“, sagt dagnä-Vorstandsmitglied Dr. med. Heiko Karcher. „Doch in der Gesundheitspolitik fehlen strukturelle Ansätze zur Verbesserung der infektiologischen Versorgung, damit diese den Herausforderungen auch in Zukunft gerecht werden kann.“ So würden die klinische Infektiologie und die ambulante Versorgung oft als völlig unabhängig voneinander wahrgenommen. „Dabei ist es essenziell, dass sich die beiden Bereiche viel stärker verzahnen und aufeinander abgestimmt werden“, sagt Karcher.

Absehbare Unterversorgung
DGI und dagnä sind sich einig, dass es in Zukunft häufiger zu „infektiologischen Problemsituationen“ in Deutschland kommen werde. Neben neuen pandemisch und endemisch auftretenden Krankheitsbildern wie COVID-19, RSV oder zuletzt Mpox stelle dabei auch die Ausbreitung von antibiotikaresistenten Erregern ein ernsthaftes Problem dar. Gleichzeitig rechnen die zwei Organisationen aufgrund des demographischen Wandels mit einem Mangel an Fachkräften für Infektionskrankheiten, einhergehend mit einer unzureichenden medizinischen Infrastruktur. Eine Unter- und Fehlversorgung in der ambulanten und stationären infektiologischen Versorgung sei absehbar.

„Angesichts der Zunahme besonders schwerer Fälle geraten die infektiologischen Stationen und Abteilungen in unseren Kliniken oft an die Grenzen ihrer Kapazitäten“, sagt DGI-Vorsitzende Prof. Dr. med. Maria Vehreschild. Eine gezielte ambulante Prävention und Früherkennung könne sehr teure stationäre Behandlungen verkürzen und vermeiden. „Doch dafür fehlt uns eine institutionalisierte Vernetzung.“ So gebe es für angehende Fachärzte und Fachärztinnen für Innere Medizin und Infektiologie derzeit etwa keine verpflichtende ambulante infektiologische Weiterbildung, ebenso wenig existiere eine ambulante Weiterbildungsförderung, sagt Vehreschild.

Ohne systematischen Austausch gehe kostbares Wissen verloren, sagt dagnä-Vorstandsmitglied Dr. med. Michael Sabranski. „Die Versorgung vieler spezieller Infektionskrankheiten wie HIV und Virushepatitiden wird aktuell vor allem von niedergelassenen Infektiologinnen und Infektiologen übernommen – es muss also zur fachärztlichen Ausbildung gehören, dies direkt in den Praxen zu erlernen.“

Konkrete Lösungsvorschläge
Um die infektiologische Expertise in der gesamten Breite verfügbar zu machen und drohende Ausbildungslücken zu schließen, schlagen DGI und dagnä in ihrem Papier eine verpflichtende sektorenübergreifende Weiterbildungsrotation vor, die sowohl ambulante als auch stationären Bereiche umfasst. Zudem müssten Abrechnungsmöglichkeiten für spezifische infektiologische Leistungen geschaffen werden, um auch niedergelassenen Fachärzten und Fachärztinnen der Infektiologie eine wirtschaftliche Perspektive zu ermöglichen. Weitere Forderungen sind die Etablierung eines systemischen ambulanten Programms für den rationalen und verantwortungsvollen Einsatz von Antibiotika, analog der stationären Antibiotic-Stewardship-Initiative; sowie die Schaffung von lokalen infektiologischen Expertengremien, um zukünftigen Ausbruchsgeschehen koordinierter und schneller entgegenwirken zu können.

Das gesamte Positionspapier von dagnä und DGI ist hier einsehbar.

 

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Juliane Pfeiffer
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